VIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas: Neuer Vorsitzender Díaz-Canel stellt Weichen für weitere sozialistische Entwicklung des Landes
Von Volker Hermsdorf
Kubas Kommunisten haben nach der Wahl von Präsident Miguel Díaz-Canel zum Ersten Sekretär des neuen Zentralkomitees am Montag (Ortszeit) den VIII. Kongress ihrer Partei (PCC) beendet. Der neue Parteichef war in diese Position gewählt worden, nachdem Vorgänger Raúl Castro am Freitag seinen Rücktritt von dem Posten, den er seit 2011 bekleidete, angekündigt hatte. Castro, der zum Abschluss des Parteitags die Ergebnisse der ersten Sitzung des am Sonntag neugewählten Zentralkomitees mitteilte, hatte dabei erklärt, dass er einen Vorschlag, »mich in höheren Positionen der Partei zu halten«, nicht akzeptieren werde. Er werde der PCC aber »bis zum Ende meines Lebens« weiterhin als »revolutionärer Kämpfer« zur Verfügung stehen.
Díaz-Canel versicherte in seiner ersten Rede als Parteivorsitzender, die er mit dem Ausruf »¡Somos Cuba Viva! ¡Patria o Muerte! ¡Venceremos!« beendete, den Revolutionären, »die von Fidel und Raúl durch mehr als sechs Jahrzehnte geführt wurden, dass die sozialistische Revolution, die sie nur 90 Meilen vom mächtigen Imperium entfernt gemacht haben, lebendig, aktiv und fest ist«. Um dies auch weiterhin behaupten zu können, müsse die Partei ihre Aktivitäten auf die Verteidigung der Revolution konzentrieren. Die Debatten auf dem Parteitag hätten in bezug auf die heutige Situation deutlich gemacht, »dass sich die Welt dramatisch verändert hat und es zu viele verschlossene Türen für die Nationen mit weniger Ressourcen gibt und noch viel mehr für diejenigen von uns, die entschlossen sind, souverän zu sein«.
Mit Blick auf die US-Blockade sagte er, »dass niemand mit einem Minimum an Ehrlichkeit und Kenntnis der öffentlich zugänglichen Wirtschaftsdaten die Tatsache ignorieren kann, dass die Sanktionen das Haupthindernis für die Entwicklung unseres Landes und für den Fortschritt bei der Suche nach Wohlstand und Prosperität sind.« Wer behaupte, »dass die Blockade nicht für unsere Hauptprobleme verantwortlich ist«, leugne die »Macht des Imperiums.« Die Behauptung Washingtons, dass Kuba für die Regierung von US-Präsident Joseph Biden keine außenpolitische Priorität sei, kommentierte Díaz-Canel mit der Bemerkung: »Warum geben die Vereinigten Staaten dann Hunderte Millionen Dollar für den Versuch aus, die kubanische Verfassungsordnung zu untergraben?«
Innenpolitisch kündigte der Parteivorsitzende Gesetze zur Stärkung der sozialistischen Demokratie an, »die sich aus der Verfassung ableiten und mit sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit, der vollen Ausübung der Menschenrechte sowie der effektiven Vertretung und Beteiligung der Gesellschaft an den laufenden wirtschaftlichen und sozialen Prozessen verbunden sind.« Dazu sei ein Umfeld nötig, »das von den Lasten der Bürokratie, übermäßigem Zentralismus und Ineffizienz befreit ist«.
Der Erfolg unserer Vorhaben, erklärte Díaz-Canel, »hängt von unserer Fähigkeit ab, mit der Bevölkerung in Dialog zu treten, die Bürger zu begeistern und einzubeziehen und Werte wieder aufzubauen, die dem sozialen Engagement mehr Bedeutung verleihen, im Bewusstsein, dass die Demokratie in dem Maße sozialistischer ist, wie sie partizipativer ist«. Zugleich warnte der PCC-Vorsitzende – in Anspielung auf angeblich spontane »Künstleraktionen« – davor, »dass große Medien und digitale Netzwerke als Plattformen für Manipulation und Lügen fungieren. Und hinter jedem, der zweifelt oder falsche Nachrichten verbreitet, verbirgt sich ein kleiner, böser Sieg.«
Zur Wirtschaftsdebatte, die auf dem Parteitag breiten Raum eingenommen hatte, räumte er ein, dass in den vergangenen fünf Jahren »keine guten Ergebnisse« erzielt wurden, was »auch durch Ineffizienz und Ineffektivität eines bedeutenden Teils der kubanischen Wirtschaft« beeinflusst worden sei. Trotzdem habe die Wirtschaft insgesamt jedoch ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen und es ermöglicht, die sozialen Errungenschaften zu bewahren, ohne auf die gesetzten Entwicklungsziele oder auf die solidarische Hilfe für andere Völker zu verzichten. »Ein kleines Land ohne Ressourcen, belagert und grausam blockiert, hat Indikatoren erreicht, die eine bessere Leistung zeigen als viele Länder der Welt und der Region.«
Ohne auf Details der Konzeptionen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung bis 2030 einzugehen, kündigte Díaz-Canel an, dass das Verhältnis zwischen der notwendigen Planung, Dezentralisierung und Autonomie aller wirtschaftlichen Akteure einschließlich der staatlichen Unternehmen, der Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe, der Genossenschaften und des privaten Sektors neu justiert werden solle. Noch einmal auf die Blockade und die Pandemie eingehend, sagte der neue PCC-Vorsitzende: »Auch wenn es manchmal den Anschein hat, dass wir uns inmitten all dessen nicht über Wasser halten können, werden wir plötzlich von unserer Widerstandsfähigkeit selbst überrascht.«
Hintergrund: Neue Generation am Ruder
Das am Sonntag von den 300 Delegierten gewählte und von zuvor 142 auf nun 116 Mitglieder verkleinerte neue Zentralkomitee (ZK) der KP Kubas (PCC) war vor Abschluss des VIII. Parteitags am Montag zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Wie der bisherige Parteichef Raúl Castro mitteilte, hatten die Mitglieder des Gremiums dabei Miguel Díaz-Canel zum Ersten Sekretär des ZK und aus ihren Reihen auch das nur noch aus 14 (statt bisher aus 17) Personen bestehende Politbüro sowie das sechsköpfige Sekretariat des ZK gewählt. Das Zentralkomitee und dessen Politbüro sind die obersten Beschlussorgane der PCC zwischen den Parteitagen.
Neun der 14 Mitglieder, darunter neben Díaz-Canel unter anderen Außenminister Bruno Rodríguez, Parlamentspräsident Esteban Lazo, der Vizepräsident der Republik Kuba, Salvador Valdés Mesa, der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbands CTC, Ulises Guilarte de Nacimiento, sowie die Vorsitzende des Frauenverbandes, Teresa Amarelle Bué, waren bereits im bisherigen Politbüro vertreten. Die fünf neuen Mitglieder des Leitungsgremiums sind Premierminister Manuel Marrero Cruz, Innenminister Lázaro Álvarez Casas, der Sekretär des Ministerrats, José Ricardo Guerra, die Erste Sekretärin des PCC-Provinzkomitees von Artemisa, Gladys Martínez Verdecia, und Luis Rodríguez López-Calleja, Präsident der Unternehmensgruppe GAESA. Auffällig ist, dass der frühere Wirtschaftsminister Marino Murillo, der sich in den vergangenen Jahren vor allem auf die »Aktualisierung des wirtschaftlichen und sozialen Modells« des Landes konzentriert hatte, nicht erneut in das Politbüro gewählt wurde.
Durch das Ausscheiden von Raúl Castro (89), José Ramón Machado Ventura (90) und Ramiro Valdés Menéndez (88), den letzten drei »Comandantes« der von Fidel Castro geführten Guerillakämpfer aus der Sierra Maestra, wurde der an der Spitze von Staat und Regierung bereits erfolgte Generationenwechsel nun auch in den höchsten Leitungsgremien der Kommunistischen Partei vollzogen. Bereits 2016 war auf dem VII. Parteitag rund ein Drittel des Politbüros durch jüngere Mitglieder ersetzt worden. Auch dieser Prozess wurde durch den erneuten Austausch von abermals einem Drittel der Mitglieder des Gremiums fortgesetzt.
»Meine Aufgabe als Erster Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas endet mit der Genugtuung über und dem Vertrauen in die Zukunft Kubas und der jungen Generation«, sagte Raúl Castro in seiner abschließenden Rede vor dem PCC-Kongress. Sein Nachfolger, der frisch gewählte Parteichef Díaz-Canel betonte, er werde auch in Zukunft alle strategischen Entscheidungen, die das Land betreffen, mit Castro abstimmen. (vh)