Weitere Straftäter im Zusammenhang mit Ausschreitungen im Juli 2021 verurteilt. Von Volker Hermsdorf
Der Oberste Gerichtshof Kubas hat am Mittwoch über weitere Urteile im Zusammenhang mit gewalttätigen Ausschreitungen vom 11. und 12. Juli vergangenen Jahres informiert. Wie die höchste richterliche Instanz der sozialistischen Inselrepublik mitteilte, hat das Provinzgericht von Havanna Anfang Februar in erster Instanz sechs Strafverfahren gegen 129 Beschuldigte beendet. Den Angeklagten waren Tatbestände wie Sachbeschädigung, schwerer Raub, Sabotage, Anstiftung zu Straftaten, Vandalismus und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zur Last gelegt worden.
Je nach Schwere der Vergehen betrug das Strafmaß für 127 Angeklagte zwischen vier und 30 Jahren Freiheitsentzug. Außerdem müssen die Täter für die verursachten Schäden gegenüber Personen und Einrichtungen aufkommen. Ein Angeklagter, dem eine Beteiligung an Taten nicht nachgewiesen werden konnte, wurde freigesprochen. Gegen alle Urteile kann von den Verurteilten wie von der Staatsanwaltschaft noch Berufung eingelegt werden.
Laut der Mitteilung hatte das Gericht es als erwiesen angesehen, dass mehrere der Beschuldigten am 11. Juli in der Gemeinde Diez de Octubre von Havanna »auf Anweisung von Personen aus Kuba und dem Ausland« versucht hatten, »die verfassungsmäßige Ordnung gewaltsam zu untergraben«. Die Täter hätten Steine und Flaschen auf Polizisten, Streifenwagen, Polizeigebäude sowie andere staatliche Einrichtungen und Fahrzeuge geworfen, dabei Beamte und Mitbürger verletzt und schwere Sachschäden angerichtet. Eine andere Gruppe von Angeklagten habe am 12. Juli in der Ortschaft La Güinera in der Gemeinde Arroyo Naranjo von Havanna Beamte und Mitarbeiter staatlicher Institutionen mit Steinen, Stöcken, Flaschen und Molotowcocktails angegriffen und für mehrere Stunden die Station der Revolutionären Polizeikräfte im Bezirk Capri belagert.
Erschwerend sei, dass diese Taten »bewusst inmitten der komplexen Situation organisiert wurden, in der sich das Land aufgrund der Covid-19-Pandemie, insbesondere in der Provinz Havanna, befand«, begründete das Gericht die teilweise langen Haftstrafen. Zum Zeitpunkt der Taten seien von den Gesundheitsbehörden zum Schutz der Bevölkerung »eine Reihe außergewöhnlicher Maßnahmen, zu denen unter anderem Bewegungseinschränkungen und soziale Isolation gehörten«, angeordnet worden, um einer Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. Die Täter hätten zudem bewusst das Leben von Bürgern und Ordnungskräften gefährdet, Verkehrsmittel beschädigt, sowie Lebensmittel und Waren gestohlen.
Über den Beginn der Verfahren hatte die KP-Zeitung Granma erstmals am 5. August 2021 ausführlich berichtet. Die kubanische Generalstaatsanwaltschaft teilte am 24. Januar dieses Jahres mit, dass zu dem Zeitpunkt gegen 790 Personen Verfahren anhängig waren. Wie aus der Mitteilung weiter hervorging, waren 55 der Beschuldigten zwischen 16 und 18 Jahren alt. Kuba hatte den Beginn der Strafmündigkeit von Jugendlichen bereits 1979 von zwölf Jahren auf 16 Jahre angehoben. In der BRD beginnt die Strafmündigkeit dagegen mit dem vollendeten 14. Lebensjahr, in den USA – je nach Bundesstaat – zwischen dem sechsten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres.
Obwohl das Strafmaß für entsprechende Delikte insgesamt deutlich niedriger ist, sind für Tatbestände wie »schwerer Raub« und »versuchter Totschlag« auch in der BRD lange Haftstrafen möglich. Mehrere Einzelstrafen können laut BRD-Strafgesetzbuch zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden. In den USA drohen für ähnliche Vergehen ebenfalls drakonische Strafen. Trotzdem bezeichnete das staatliche US-Propagandaportal Martí Noticias die Urteile in Kuba am Mittwoch als »ungeheure Ungerechtigkeit«.