Kuba impft

Trotz US-Blockade: Kampagne mit eigenem Vakzin in Havanna angelaufen. Immunisierung der gesamten Bevölkerung bis Ende des Jahres angestrebt
Von Volker Hermsdorf

In Kuba ist am Mittwoch in vier Bezirken der Hauptstadt Havanna mit Impfungen gegen das Coronavirus begonnen worden. Wie die Nachrichtenagentur Prensa Latina meldete, sollen bis Juni knapp 400.000 Einwohner der als Risikogebiete eingestuften Stadtteile San Miguel del Padrón, Habana del Este, Guanabacoa und Regla den im Land entwickelten Impfstoff »Abdala« erhalten. Bis Anfang Juli seien dann Impfungen in den Gemeinden Boyeros, Cotorro und Arroyo Naranjo vorgesehen, die ebenfalls überdurchschnittliche Inzidenzwerte aufweisen. Dabei würden zunächst die über 60jährigen priorisiert, erklärte die stellvertretende Leiterin der Provinzgesundheitsbehörde, Nilda Roca Menéndez. Danach werde die Altersgruppe ab 40 und schließlich würden alle Impfwilligen zwischen 19 und 39 Jahren immunisiert.

Wie die Ärztin mitteilte, wurden in den ausgewählten Gemeinden meist in Hausarztpraxen und Krankenstationen 489 Standorte für die Vakzination eingerichtet. Dabei sollen maximal zehn Personen pro Stunde immunisiert werden, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Roca Menéndez unterstrich, dass die Impfungen freiwillig sind und Personen ab einem Mindestalter von 19 Jahren angeboten werden. Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren, Schwangere, Patienten mit der Diagnose Covid-19, Krebspatienten in Behandlung, Personen, die Antibiotika zur Bekämpfung akuter Infektionen einnehmen, sowie Menschen mit hohem Blutdruck könnten derzeit nicht geimpft werden. Bürger, die sich bereits mit dem Coronavirus angesteckt hatten, sollen das speziell für sie entwickelte Vakzin »Soberana plus« verabreicht bekommen, um ihre Immunität zu verstärken. Um die rund 1,7 Millionen Einwohner der Hauptstadt in den kommenden Wochen komplett impfen zu können, wird eine durchschnittliche Rate von 85 Patienten pro Impfstelle und Tag angestrebt. Die beiden zunächst eingesetzten Impfstoffe waren trotz US-Blockade als bisher einzige lateinamerikanische Vakzine eigenständig in Kuba entwickelt und hergestellt worden.

Gesundheitsminister José Angel Portal hatte kürzlich angekündigt, er hoffe, dass bis August 70 Prozent der kubanischen Bevölkerung immunisiert werden können. Der Präsident der für die industrielle Herstellung der Vakzine zuständigen Unternehmensgruppe Bio-Cuba-Farma, Eduardo Martínez Díaz, teilt den Optimismus. Er gehe davon aus, dass bis August die notwendige Menge der am weitesten fortgeschrittenen Impfstoffkandidaten zur Verfügung stehe, erklärte er Anfang der Woche in der Fernsehsendung »Mesa Redonda«. Das kubanische Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (CIGB), in dem »Abdala« entwickelt wurde, treibe derzeit eine Studie voran, um das Vakzin auch für Minderjährige zur Verfügung stellen zu können.

Damit könnte die Insel zum ersten Land der Welt werden, das seine gesamte Bevölkerung mit einem eigenen Impfstoff immunisiert, was bis Ende des Jahres erreicht werden könne, hofft Martínez Díaz. Bio-Cuba-Farma, das 21 Forschungszentren und 32 Firmen vereint, habe einen Operationsplan bis Dezember entworfen, der die Anzahl der Dosen definiert, die in jedem Monat – bei ständiger Steigerung – von den jeweiligen Impfstoffen produziert werden. Martínez Díaz unterstrich zudem, dass Kuba über eine mehr als 30jährige Erfahrung bei der Entwicklung und Produktion von Vakzinen verfüge, die bereits in über 30 Ländern zur Anwendung gekommen seien.

Die staatliche pharmazeutische Industrie des Inselstaates hat mit »Soberana 01«, »Soberana 02«, »Mambisa«, »Abdala« sowie »Soberana plus« bislang fünf Covid-19-Impfstoffe entwickelt. Diese sollen bald auch in Länder des globalen Südens exportiert werden. »Kuba hat immer Impfstoffe gespendet. Wir helfen anderen Ländern«, zitierte die New York Times im Februar Gerardo Guillén, einen Wissenschaftler, der sie im CIGB mitentwickelt hat. Vicente Vérez, der das »Soberana-Team« leitet, kündigte gegenüber der US-Zeitung an, dass die Insel künftig auch Ausländern, die dorthin reisen, Impfungen anbieten könnte.

Aus: jW-Ausgabe vom 14.05.2021

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