Nach kontroversen Debatten: Kubas Parlament verabschiedet Gesetzespaket. Contras starten Kampagne gegen neues Strafrecht. Von Volker Hermsdorf
Im Rahmen einer umfassenden Justizreform hat das kubanische Parlament am Wochenende eine Reihe neuer Gesetze verabschiedet. Das Reformpaket umfasst Regelungen zur Nahrungsmittel- und Ernährungssouveränität, zum Datenschutz, dem Erhalt der natürlichen Ressourcen und der Umwelt, zur Garantie der Verfassungsrechte und zum Schutz des literarischen und künstlerischen Schaffens. Wie Justizminister Oscar Silvera ankündigte, soll die Endfassung eines neuen Familiengesetzes, das unter anderem die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe und stärkere Schutzmechanismen gegen sogenannte häusliche Gewalt vorsieht, dem Parlament Ende Juni vorgelegt werden.
Auf scharfe Kritik der USA stößt eine Reform des Strafrechts. Die Abgeordneten der Nationalversammlung hatten ein neues Strafgesetzbuch und Strafvollzugsgesetz verabschiedet. Durch die darin vorgesehenen Regelungen würden »Schikanen und Repression gegen alle Kubaner zunehmen«, behauptete das staatliche US-Portal Martí Noticias am Sonntag. Das neue Strafrecht bedeute »ein weiteres Anziehen der Daumenschrauben durch das Regime, um die Repression der Bürger zu intensivieren«, zitierte der jährlich mit rund 30 Millionen Dollar aus dem US-Haushalt finanzierte Propagandasender als Beleg René Gómez Manzano, den Chef der ebenfalls von Washington subventionierten Organisation »Corriente Agramontista«. Martha Beatriz Roque von der zerstrittenen Contragruppe »Damen in Weiß« bezeichnete die neuen Gesetze laut Martí Noticias als »Verbrechen«. Dagegen wies José Luis Toledo Santander, der Vorsitzende der Verfassungs- und Rechtskommission des kubanischen Parlaments, in der KP-Zeitung Granma darauf hin, dass das Reformpaket die logische Konsequenz der neuen Verfassung vom April 2019 sei. Das gesamte Rechtssystem des Landes habe an deren Vorgaben angepasst werden müssen.
Ein Großteil der Veränderungen im neuen Strafgesetzbuch, das ein Regelwerk aus dem Jahr 1987 ablöst, entspricht internationalen Standards. So wird etwa die Beteiligung an »Diskriminierung in allen Erscheinungsformen, familiärer oder geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie Handlungen gegen Minderjährige und Behinderte« unter Strafandrohung gestellt. »Die Härte der Sanktionen im Zusammenhang mit Korruption in Wirtschaft und Verwaltung wird auch für neue Wirtschaftsakteure verschärft«, berichtete das Portal Cubadebate.
Während solche Neuerungen international wenig Beachtung fanden, kritisieren Gegner der Reform, dass auch die »aktive Beteiligung an subversiven Aktivitäten und Angriffe auf Informations- und Kommunikationstechnologien« unter Strafe gestellt werden. Gruppen und Einzelakteure, die Geld aus dem Ausland für solche Aktionen erhalten, machen sich als »ausländische Söldner« strafbar. Die Agentur AFP sieht darin eine Reaktion auf die teilweise gewalttätigen Proteste vom vergangenen Sommer.
Damals hatten aus dem Ausland organisierte Cyberattacken den Onlineservice einer Reihe von Behörden, Betrieben und Medien in Kuba zeitweise lahmgelegt. Auf Grundlage der neuen Bestimmungen würden »die schwersten Verstöße hinsichtlich der missbräuchlichen Nutzung verfassungsmäßiger Rechte« verfolgt, erklärte der Präsident von Kubas oberstem Gerichtshof, Rubén Remigio Ferro. Danach müssen »ausländische Söldner« mit Strafen zwischen vier und zehn Jahren Gefängnis rechnen. Die Strafen für schwerste Straftaten sind lebenslange Haft oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren. Die Möglichkeit, die Todesstrafe zu verhängen, wird ausnahmsweise für besonders schwere Straftaten wie »Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates« und »Terrorismus« beibehalten.
Das Gesetz war im Parlament kontrovers diskutiert worden. Der Vorschlag mehrerer Abgeordneter, die Strafmündigkeit von derzeit 16 auf 18 Jahre anzuheben, wurde mit dem Hinweis auf andere Länder, wo der Beginn der Strafmündigkeit unter 16 Jahren liege, mehrheitlich abgelehnt. Auch die Abgeordnete Mariela Castro Espín scheiterte mit einem Vorstoß, »Femizid« als eigenen Straftatbestand in das Gesetzbuch aufzunehmen. Laut Cubadebate hatte es bis zu den Beratungen in der Nationalversammlung 1.114 Änderungsvorschläge gegeben, von denen 706 angenommen wurden. In der Parlamentsdebatte hätten die Abgeordneten dann 112 weitere Änderungen beantragt, von denen 97 angenommen worden seien.